30 Jahre nach der Auflösung der Band AG Geige veröffentlichen Baumarkt ihr zweites Album Kellerduell. Zufall oder Konzept? Eine Spurensuche im Giftschrank der Majorlabels.

Karl-Marx-Stadt an einem sonnigen Spätherbsttag: Jens Ausderwäsche, Sängerin der Band Baumarkt, sitzt an einer Straßenbahnhaltestelle und beobachtet ein Bauloch. „Früher haben hier noch die Kummers residiert“, sagt sie und trinkt einen großen Schluck Kolle: „das war noch vor der Zeit als Kulturhauptstadt“. Ihr Kollege Florian Illing pflichtet ihr bei: „Damals gabs ja noch nicht mal das Atomino“.

Wir sind auf der Suche nach dem Erbe der sogenannten „anderen Bands“ und stoßen dabei immer wieder auf Verbindungen zu einer Gruppierung namens AG Geige. Im Internet lässt sich dazu folgendes finden: „Frank Bretschneider, Torsten Eckhardt, Jan Kummer und Ina Kummer gründeten die Band 1986. Obwohl die Mitglieder keine echten Musiker waren (was von ihnen auch offen eingestanden wurde) spielten sie erstklassige elektronische Musik“.

Der Name Kummer ist in der ostdeutschen Bandszene weit verbreitet. Mitglieder von Majorgrößen wie Blond oder Kraftklub tragen diesen Namen, aber auch Clubbesitzer. Doch den Geist der Chemnitzer Avantgarde tragen andere weiter. „Ob wir eine direkte Blutlinie zu den Kummers haben, wissen wir nicht“, gibt Ausderwäsche zu bedenken: „unsere Eltern schweigen konsequent zu dem Thema“. Verschmitzt fügt Illing hinzu: “Es bereitet uns jedenfalls keinen Kummer, nicht so zu heißen”.

Seit 2016 prägen Baumarkt ihre ganz eine eigene Ära – konsequent am Fokus der Majorlabels vorbei. Ihr zweites Album hat die Gruppe in jahrelanger Arbeit minutiös komponiert. Dessen Sound strotzt vor wohlfeiler Konfusion, die nur von der dichterischen Reichhaltigkeit der Texte übertroffen wird: Gesungen wird vom Brunnen im Hinterhof, dem eigenen Fischauge, der Königin der Sonne im Mai. Baumarkt kann als Idealexempel einer neuen deutschen Avantgarde gelten. Die Chemnitzer Seilschaften helfen dabei jedoch nicht: Kellerduell erscheint bei dem kleinen Bremer Label Latenz. “Jede Stadt hat diese besonderen Namen – in Bremen sind es die Bodzins”, gibt dessen Pressestelle bekannt, “wir kümmern uns um alle grandiosen Musiker:innen – egal, wie der Stammbaum aussieht”.